Der Norwegische Militärattachè Bjørn Gaute Herlyng

 

 

 

 

Neue Herausforderungen im Norden Europas

 

Viele Anforderungen an Norwegens Streitkräfte

 

Einen weiten Weg legte Oberst im Generalstab Bjørn Gaute Herlyng von der

Königlich Norwegischen Botschaft in Berlin zurück als er zu einem Vortrag über die

Sicherheits- und Verteidigungspolitik seines Landes im Unteren Schloss in Immendingen vor

zahlreichen Gästen sprach. Dabei befand er sich aber fast im Zentrum seines

Zuständigkeitsbereichs welcher auch Österreich und die Schweiz umfasst. In seinem lebendigen

wie aufschlussreichen und dabei akzentfreien Referat führte er zunächst in die Tätigkeiten

eines Militärattachés ein und räumte auf mit dem Mythos es handele sich um einen Spion in

Uniform, vielmehr erstreckt sich das Aufgabenspektrum vom gegenseitigen Informationsaustausch über

die bilaterale militärische Zusammenarbeit bis hin zur Pflege der Beziehungen zu Dienststellen

der Bundeswehr, der Bevölkerung und Vertretern der Industrie.

Gleich zu Beginn seiner Ausführungen ging er auf die Gegebenheiten im Land und die

besondere geopolitische Lage Norwegens ein. Mit nur 5,2 Millionen Einwohnern, welche überwiegend

in den wenigen Ballungsräumen entlang der Küste konzentriert sind, und einer Nord-Südausdehnung

von fast 2.900 Kilometern sowie schwierigen topographischen wie klimatischen Verhältnissen steht

dieser kleine NATO-Partner im Dreieck zwischen Russland, den USA und Kanada und Kontinental-

europa vor großen Herausforderungen bei der Verteidigung und ist dabei stets bestrebt die Balance

zu halten. Erdöl- und Erdgasvorkommen bilden dabei 2/3 der Wirtschaftsstärke, die sehr exportorientiert

ist. Man rechnet hier mit Reserven die einen Umfang von etwa 20 Jahren betragen. Das Seegebiet

spielt hierbei eine große Rolle da es sieben Mal größer ist als die Landfläche und zudem mit

den Fischvorkommen einen weiteren bedeutenden Wirtschaftsbereich darstellt. Den Norwegern ist

dabei nicht wichtig wer die Ressourcen erschließt sondern ob er sich an die Regeln hält, die

Überwachung obliegt den Streitkräften. Dement-sprechend sind auch die, durch den

Klimawandel hervorgerufenen Veränderungen von Bedeutung insbesondere im arktischen Raum. Das

Eis zieht sich zurück, Schifffahrt wird in einem räumlichen und zeitlichen Ausmaß möglich wie es

bislang nicht der Fall war und weckt dementsprechend Begehrlichkeiten vor allem bei Russland das

bereits symbolische Ansprüche dort angemeldet hat. Auch wenn der kalte Krieg längst schon beendet

ist haben die Aktivitäten nicht drastisch abgenommen dafür sind auch die Fähigkeiten gestiegen.

Norwegen tritt nicht aggressiv auf und ist an einem niedrigen Spannungsniveau interessiert und setzt

dabei auf die Unterstützung durch die NATO, die sich scheinbar aber eher auf andere

Regionen konzentriert und so gilt es eine angemessene Verteidi-gungskapazität vorzuhalten die

groß genug ist um potentielle Bedrohungen abzuhalten daher sind die See- und Luftfähigkeiten

sehr wichtig. Die Landstreitkräfte konzentrieren sich auf die 200 Kilometer gemeinsame Grenze

zu Russland im äußersten Norden. Neben Unterschieden zu anderen NATO-Partnern vereint aber

der Kampf gegen den Terrorismus, auch wenn die potentielle Bedrohung bislang ausgeblieben ist

und Norwegen bislang nur durch einen heftigen Anschlag eines rechtsextremen Einzeltäters

erschüttert wurde, sowie die 2015 einsetzenden Flüchtlingsströme welche Deutschland in

besonderer Weise betrafen. Das besondere Verhältnis zu Russland ist gekennzeichnet durch

eine bilaterale Frage um den Grenzverlauf in den arktischen Gewässern ist aber keine Streitfrage

auch bestehen keine Konflikte z.B. in Bezug auf eine kleine russische Minderheit in Norwegen wie es

in anderen Regionen Europas der Fall ist. Es gilt hauptsächlich die Situation zu beobachten denn

sowohl die vorhandenen Kapazitäten des Nachbarn wie hochtechnologische Waffen und die

schnelle Verlegbarkeit machen die Vorhersehbarkeit, die früher gegeben war, schwierig auch wenn

es unwahrscheinlich ist derartiges anzu-nehmen. Man muss wachsam bleiben und sich stets der

Solidarität der Verbündeten versichern und die Aufmerksamkeit in die Region lenken, denn in erster

Linie gehen von den taktischen Luftübungen und den Patrouillenfahrten der U-Boote eher Bedrohungen

für das Bündnis aus.

In den Streitkräften Norwegens tut sich derzeit Vieles was unter anderem der sehr

engagierten Verteidigungsministerin Ine Marie Eriksen Søreide zuzuschreiben ist. Wie in Deutschland

auch, wurde erst kürzlich ein neues Weißbuch für den Zeitraum bis 2020 geschrieben mit

detaillierten Forderungen zur Struktur der Streitkräfte allerdings sind entsprechende Haushalts-

mittel vorzuhalten, was trotz eines schuldenfreien Haushalts zu erheblichen Diskussionen führt.

Die verhältnismäßig kleinen Streitkräfte werden durch die Heimwehr verstärkt, welche

überwiegend territoriale Aufgaben übernimmt, und hauptsächlich durch die Wehrpflichtigen.

Die Wehrpflicht wurde erst im Jahr 2013 durch Parlamentsbeschluss auch auf

Frauen ausgeweitet. Seit dem Sommer 2016 dienen damit erstmals wehrpflichtige Frauen

in einem NATO-Staat. Es gibt dabei offensichtlich keinerlei Probleme aus einem Jahrgang

von ca. 60.000 etwa 8.000 bis 9.000 Frauen und Männer als Rekruten in einem

zweistufigen Auswahlverfahren zu gewinnen. Eine weitere Neuerung ist die

(Wieder-) Einführung eines Unteroffizierskorps, welches bislang lediglich ein

zeitlich befristeter Schritt auf dem Weg zum Offizier darstellte, man will so eine

höhere Qualität erreichen.

Die deutsch-norwegische Zusammenarbeit ist quer über alle Teilstreitkräfte in unterschiedlicher

Ausprägung vorhanden und geht vom Austausch und Ausbildungen über gemeinsame Übungen bis hin

zu gemeinsamen Einsätzen z.B. in Afghanistan. Durch gemeinsame Ausrüstung wie z.B. der

Kampfpanzer Leopard oder dem gepanzerten Fahrzeug Dingo gibt es vor allem in der

logistischen Zusammenarbeit Nahtstellen. Norwegen beabsichtigt derzeit die Beschaffung neuer U-Boote

und möchte über den reinen Kauf hinaus auch die damit verbundene Zusammenarbeit im Bereich

Ausbildung und Logistikunterstützung in einer Kooperation verankern. Die Chancen zur Verwirklichung

dieses Rüstungsvorhabens stehen gut nachdem die Konkurrenz aus Frankreich erst jüngst Rückschläge

erleben musste. In der Zukunft wird Norwegen mit Deutschland und den Niederlanden zusammen eine

NATO-Response Force bilden und auch einen Beitrag leisten zu dem von Deutschland geführten Leitverband

in Litauen.

Wie in Deutschland auch wird in Norwegen ein Cyber-Kommando aufgestellt um den gewaltigen

Herausforderungen durch diese stetig wachsende Bedrohung begegnen zu können, dies wird auch

in Abstimmung mit der Industrie und den Behörden geschehen.

Oberst Herlyng ließ bei den Anwesenden  in der anschließenden Diskussion keine Fragen offen und wurde

vom Vorsitzenden der Reservistenkameradschaft Immendingen, Hauptfeldwebel der Reserve Udo Tietz

mit einer kleinen Erinnerung verabschiedet

 

 

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